Die Hände 
zum Himmel.

Von Sascha Hoffmann

Fritzlar – Die rote Nase und der schlabbrige Clownshut zählen nicht unbedingt zu meinen Lieblingsoutfits. Nur widerwillig habe ich sie übergezogen, nachdem ich sie bis zur letzten Sekunde in meiner Fototasche versteckt hatte. Zugegeben, der größte Karnevalsfan bin ich nicht, doch eine Runde auf dem heiligen Prinzenwagen zu drehen und mit Prinz Michael II. von den FKG „Eddernarren“ durch die Fritzlarer Altstadt zu fahren, das lasse selbst ich mir nicht entgehen. „Alle Wille, willkommen an Bord“, schallt es mir schon fröhlich entgegen, kaum dass ich die acht Sprossen der klapprigen Leiter rauf gen Wagen gekraxelt bin. Der soll den gleich startenden Rosenmontagsumzug anführen, und darauf hat der Prinz schon lange gewartet. „Kurz nach meiner Ernennung ist coronabedingt alles abgesagt worden, das ist mein erster Umzug als Prinz“, so der Jeck aus dem Hause Osiztkyj, der mit der Sonne um die Wette strahlt. „Vielleicht hat meine verstorbene Frau sie uns geschickt“, sagt er und verrät: „Sie hatte immer den Traum, mit mir gemeinsam als Prinzenpaar hier zu stehen, diesen Traum erfülle ich ihr nun.“ Sicher hätte ihr gefallen, wie ihr Mann in seiner Funktion aufgeht. 

Kaum dass sich der Wagen in der Geismarstraße in Bewegung gesetzt hat, ist Michael II. in seinem Element. Man kann gar nicht so schnell gucken, wie er die Kamellen unters Volk bringt. Immerzu hüpft er von der einen zur anderen Seite, will möglichst niemanden enttäuschen. Der prall gefüllte XXL-Trog reicht nicht lange, schon nach gut einer Viertelstunde muss Nachschub her. Darum kümmert sich Elferratsfrau Ines Franke, die gemeinsam mit Senatorin Ute Schmith und Senator Wolfgang Behr ebenfalls an Bord ist. Behr ist ein guter Begleiter, denn er kennt sich aus, war 1998/1999 selbst mal FKG-Prinz und versorgt seinen Freund nun mit allen nützlichen Tipps. Bis zum Beginn einen Schal zu tragen etwa, denn „ist die Stimme erst mal angeschlagen, kommt sie über die Lautsprecher nicht mehr vernünftig rüber.“ Und wie ist es, wenn man während des Umzuges mal für kleine Prinzen muss? Da bleibt selbst dem FKG-Urgestein nichts anderes übrig, als zu passen: „Das ist schwierig, darum sollte man sich vorher gekümmert haben“, sagt er lachend und genießt, dass die Stadt nach drei Pandemiejahren endlich wieder Kopf steht. 

Anfängliche Sorgen hinsichtlich der viel diskutierten Sicherheitsthemen sind schnell in den Hintergrund gerückt. Die komplette Besatzung scheint wie im Rausch. Auch ich wippe mittlerweile im Takt zu Stimmungshits von „Die Hände zum Himmel“ bis „Atemlos“. Der gewaltigen Energie, die von den Besuchermassen entlang der Route ausgeht, kann man sich einfach nicht entziehen. Aus meinem anfänglichen Wippen wird schnell so etwas wie Tanzen, aus Zuschauen aktives Mitarbeiten. Ich helfe Michael II., die Kamellen unters Volk zu bringen, sammle die zu Boden gefallenen auf, damit der bonbonwerfende Prinz nicht drüber fällt. Ich schwitze, als ich nach der ersten Umzugsrunde unweit des Marktplatzes den Wagen wieder verlassen muss. Fast ein wenig traurig, die sympathischen Jecken allein weiterfahren zu lassen. Ich schicke meinen neuen Karnevalsfreunden noch ein lautstarkes „Alle Wille“ hinterher und bin mir spätestens jetzt ganz sicher, dass ich die rote Nase und den schlapprigen Clownshut im nächsten Jahr ohne Widerwillen und voller Freude tragen werde.

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